[section_header use_decoration=“1″ layout_type=“section-heading-thick-border“ separator_position=“left“ main_heading=“NETZWERKTAGUNG MEDIENKOMPETENZ – MUT ZUM STOLZ“ text_align=“left“ font_size=“default“ font_style=“default“ color=“#000000″ separator_color=“#000000″]Das Netzwerk Medienkompentenz Sachsen-Anhalt unterstützt Aktivitäten im Bereich der Medienkompetenzförderung. Am 29. und 30. September versammelte sich die Medienkompetenz-Szene zur 3. Netzwerktagung Medienkompetenz Sachsen-Anhalt, um unter dem Motto medien|familie|interaktion – Herausforderungen zur Partizipation an der digitalen Gesellschaft über Themen wie Medienkompetenz, Medienerziehung, Medienknigge und Medienentwicklung zu diskutieren. Zwei Tage lang konnte jeder, den das Thema Medienkompetenzvermittlung angeht (also jeder), Diskussionen und Vorträgen von unterschiedlichsten Akteuren lauschen. Viele gute Gründe also, sich das Ganze live anzusehen. Ein Plädoyer zu mehr Medien-Mut.
Zwei Tage lang voller Vorträge sind nicht ganz stressfrei: Man bekommt wahnsinnig viel Input, lernt Menschen kennen, ist in einer fremden Stadt, schläft im Hotel in einem fremden Bett. Auf dem Weg nach Hause habe ich mich gefragt: Was war eigentlich der Kern des Ganzen? Kann man die vielfältigen Themen, die besprochen wurden, irgendwie bündeln?
Wenn man über Medienkompetenzvermittlung spricht, stößt man schnell auf die Frage nach Verantwortlichkeiten. Wer trägt die Verantwortung, dass unsere Kinder medienkomeptent erzogen werden und damit an der digitalen Gesellschaft teilhaben können, ohne Schaden davon zu tragen? Eltern, Lehrer, externe Partner, Politiker? Die Kinder und Jugendlichen selbst? Ein heikles Thema, denn immer, wenn es um Verantwortung geht, landet man schnell bei dem Punkt „Schuld“. Eltern werden sich fragen: Bin ich Schuld, dass mein Kind Opfer von Cybermobbing geworden ist, weil ich nicht wusste, was mein Kind im Netz macht? Sind Politiker Schuld, dass Deutschland digital hinterherhinkt, weil sie digitale Medien selbst für „Neuland“ halten? Sind Lehrer schuld, weil sie Smartphones in der Schule verbieten, anstatt sie kreativ in den Unterricht einzubinden? Ist Apple schuld, weil mit dem IPhone eine Revolution in der Kommunikationstechnologie losgetreten wurde? Oder ist Tim Barners Lee schuld, weil er dieses Internet erfunden hat, ohne die Konsequenzen kennen zu können?
Das Problem an Schuld und Verantwortung ist: Die Begriffe werden nicht nur in einen engen Zusammenhang gebracht und damit undifferenziert behandelt, sondern da hat auch keiner Bock drauf. Logisch, wer will schon schuld an etwas sein? Verantwortung hat auch immer etwas mit Handeln zu tun. Man muss aktiv werden. Man muss Antworten finden. Bei digitalen Medien heißt das, Neuland zu betreten. Das ist erst mal mit Anstrengung verbunden. Und so wird der schwarze Peter fröhlich zwischen den verschiedenen Positionen hin und her geschoben. Die einzigen, die sich nicht in der Verantwortung sehen, sind diejenigen, denen Medienkompetenz vermittelt werden soll. Die Kinder und Jugendlichen selbst. Die sind eher genervt von Verboten, Diskussionen und Vorträgen von Eltern über Kurzsichtigkeit oder Verdummung durch googeln. Und so wird die Schere zwischen den Positionen Eltern – Kinder – Lehrer immer größer. Was weitreichende Folgen hat. Warum?
Zum einen muss man den Tatsachen einfach mal ins Auge sehen: Das Internet ist da. Soziale Medien sind da. Digitale Kommunikationstechnologien sind da. Wir können das nicht einfach ausschalten. Der Zug ist leider abgefahren. Der Zug, in dem Soziale Medien wie Facebook und Instagram oder Messenger wie WhatsApp als Spielerei oder netter Zeitvertreib angesehen werden konnten, ist auch abgefahren (wenn es ihn denn überhaupt jemals gegeben haben sollte). Diese Medien gehören zu unserem Alltag. Ich würde sogar soweit gehen und sie als eigenen Kultur- und Kommunikationsraum bezeichnen. Das zeigt auch die gerade veröffentlichte Studie Always On! Wie Kinder und Jugendliche Smartphones Nutzen der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen. Demnach können „64 Prozent der 8- bis 14-Jährigen können über das Handy bzw. Smartphone auf das Internet zugreifen“, „bei den 13- und 14-Jährigen sind es bereits 86 Prozent“ (ebd.).
Aber was bedeutet das nun? Das Ende der Bücherkultur? Das Ende der stressfreien Kindheit? Der Anfang einer Generation, die nicht nicht mehr in der Lage ist, sich anständig zu artikulieren und nur noch in Abkürzungen und Emojicons spricht? Oder bedeutet es einfach nur, dass die Medien nun mal da sind? Dass sie teil unseres Alltags, unserer Lebenswelt sind?
Blenden wir für einen Moment einfach alle Hysterien durch Risiko-Apologeten á la Manfred Spitzer und Christian Pfeiffer (Medien machen dumm, dick, aggressiv und die Kids verwahrlosen) aus und konzentrieren wir uns auf den Ist-Zustand: Demnach leben wir in einer mediatisierten Welt. Unser Alltag, unsere Kultur, die Wirtschaft – alles, was unser Leben ausmacht, ist auch von digitalen Medien durchdrungen. Unser Leben, die Gesellschaft hat sich dadurch verändert: Wir kommunizieren anders, wir konsumieren anders, wir gestalten unsere Freizeit anders. Produktive Prozesse laufen anders ab. Und da sind wir erst am Anfang. Jetzt kann man natürlich sagen, dass früher alles besser…, lest mal ein Buch undsoweiterundsofort. Fakt ist aber, dass dieses ewige „Sich-in-der-analogen-Vergangenheit-aufhalten“ niemanden nach vorne bringt. Erst recht nicht die Kinder und Jugendlichen. Die interessiert nämlich, wie sie im Hier und Jetzt klar kommen. Dass sie den Anschluss bei ihren Freunden, in der Klasse nicht verpassen. Und wenn sie älter sind, interessiert sie, wie sie einen Job bekommen. Und da bringt es ihnen herzlich wenig, wenn man ihnen vorhält, dass sie kurzsichtig werden und „das Ding doch mal weg legen sollen“. Das interessiert sie genauso wenig wie das Predigen von „iss mal mehr Gemüse“. Wenn ich aber von Anfang an einen natürlichen Umgang mit Ernährung pflege, weiß das Kind, was es essen muss, damit es gesund bleibt. Und so ähnlich ist das mit digitalen Medien auch: Bringe ich dem Kind von Anfang an einen umsichtigen Umgang bei, kann ich es auch alleine loslassen, ohne Angst haben zu müssen, dass Fremde an Daten meines Kindes kommen oder es Smartphone-süchtig wird.
Dass das für Eltern und Lehrer nicht einfach ist, ist ebenso klar wie verständlich. Denn im Gegensatz zu den Kindern und Jugendlichen haben die sogenannten „Digital Immigrants“ noch eine Zeit ohne Internet, ohne Facebook und WhatsApp erlebt. Für sie ist es Neuland. Man weiß nicht so genau, ist kein Profi und hat auch nicht so richtig Ahnung. Kurz: Unsicherheit ist da. Unsicherheit in Verbindung mit oben genannter Verantwortlichkeit ist eine ganz blöde Konstellation. Da bekommt man erst mal Angst. Und viele Menschen reagieren dann mit Ablehnung und Abwehr. Oder Kopf in Sand. Und genau das ist es, was zur Zeit in der öffentlichen Diskussion immer wieder passiert. Mit dem Resultat, dass sich Menschen, die sich aktiv für den sinnvollen Umgang mit digitalen Medien bei Kindern einsetzen, anhören müssen, sie „rauben dem Kind die Kindheit“. Dass Deutschland digital hinterhinkt. Dass solche Berichte, Beiträge und Artikel, die die Gefahren digitaler Medien hervorheben verstärkt Beachtung finden. Und die risikoorientierte Diskussion bis zur Hysterie treiben.
Dabei ist es doch so einfach: Denn wieder einmal geht es um Kommunikation. Um den Dialog. Es geht darum, gemeinsam Wege und Lösungen zu finden. Wie können wir zu Hause mit Medien umgehen? Wie können Lehrer digitale Technologien kreativ im Unterricht nutzen? Wie wollen wir den menschlichen Umgang innerhalb der digitalen Kommunikation gestalten? Wie können wir Technik so nutzen, dass sie uns weiterbringt? Schließlich geht es darum, dass die Kids anschlussfähig bleiben. Sozial und beruflich. Dafür ist das Zurechtfinden im digitalen (Kultur-)Raum unabdingbar. Und ist eine erzieherische und bildungspolitische Aufgabe zugleich. Wir sollten uns lösen von der Frage nach Schuld oder Verantwortung und uns öffnen für einen neuen Kommunikations- und Handlungsraum, der uns schließlich auch viel Positives gebracht hat und noch bringen wird. Oder um es mit den Worten von Tanja Haeusler auf der Netzwerktagung zu sagen:
Wir sollten stolz sein auf das, was unsere Kinder medial schaffen.
Haben wir also den Mut, stolz zu sein und begleiten wir Kinder und Jugendliche auf dem Weg in ein emanzipiertes, reflektiertes digitales Leben. Haben wir Mut, Verantwortung zu übernehmen und haben wir Mut digitale Medien als eigenen Kulturraum anzuerkennen, anstatt ihn wie einen Dämon zu behandeln, gegen den es an zu kämpfen gilt.
Ein Plädoyer, dem ich 120% zustimmen kann. Pointiert, geradlinig und keck.
DANKE für den Beitrag, werde einige Ideen von dir in meine Referate einbinden können.
Das freut mich sehr, vielen Dank! Ich halte ein Umdenken in dem Diskurs für unabdingbar, dafür versuche ich mich einzusetzen und wenn ich mit meinen Artiekln Menschen erreiche, ist das eine tolle Bestätigung für meine Arbeit. Viele liebe Grüße!