[section_header use_decoration=“1″ layout_type=“section-heading-thick-border“ separator_position=“left“ main_heading=“VERKLICKT? RUF DIE POLIZEI. DIE WEISS RAT – TEIL I“ text_align=“left“ font_size=“default“ font_style=“default“ color=“#000000″ separator_color=“#000000″]Am 05. November fand der Tag der Medienkompetenz zum vierten Mal in Hannover statt. Das diesjährige Motto „Lernen und leben mit digitalen Medien“ richtete sich an „im Bereich der Medienkompetenzvermittlung tätige Personen sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren“. Also vor allem an Lehrerinnen und Lehrer. So jedenfalls habe ich die Fachtagung verstanden. Wobei vieles andere habe ich überhaupt nicht verstanden. Wie zum Beispiel den Umstand, dass die Polizei jetzt anscheinend auch schon als Fachkraft für Medienkompetenzvermittlung agiert. Aber von Vorn.
9.40 Uhr. Ankunft am Kongresszentrum Wienecke XI in Hannover. Heute ist Tag der Medienkompetenzvermittlung. Veranstalter sind das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) und die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM), unterstützt von der Niedersächsischen Landesregierung und ihren Partnern im Netzwerk „Medienkompetenz in Niedersachsen“ wie der Niedersächsischen Staatskanzlei, dem Niedersächsischen Kultusministerium, dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie von der Initiative n-21. Also alles, was Rang und Namen hat. Inklusive dem Schirmherrn der Fachtagung Stephan Weil. Da kann man natürlich nicht einfach irgendein Kongresszentrum nehmen und klar ist auch, dass weder bei der medialen Präsenz noch bei der Verpflegung der Teilnehmer geknausert werden darf. Schließlich sind auch alle ziemlich stolz auf das Konzept „Medienkompetenz in Niedersachsen – Meilensteine zum Ziel“, das laut Grußwort „in seiner Breite einzigartig in Deutschland ist“ (Stephan Weil). Umso gespannter bin ich, wie sich der „fachliche Austausch in der realen wie auch der digitalen Welt“ gestalten wird – denn als Plattform für einen solchen Austausch wird die Tagung im Programmheft beschrieben. Besonders gespannt bin ich auf den Vortrag von Prof. Dr. Bardo Herzig, Universität Paderborn, Institut für Erziehungswissenschaften, von dem ich mittlerweile einiges mit Zustimmung gelesen habe.
10.00 Uhr. Der Saal ist voll. So voll, dass die Zu-Spät-Kommer hinten stehen müssen. Das Thema hat anscheinend große Relevanz und der Wille zur Auseinandersetzung mit der Vermittlung von Medienkompetenz scheint da zu sein. Wie schön.
10.05 Uhr. Einleitende Grußworte durch den Chef der Staatskanzlei Dr. Jörg Mielke. Er betont noch einmal die Ominpräsenz der digitalen Medien in unserem und vor allem im Alltag der Kinder und Jugendlichen. Und dass es wichtig sei, die Kinder im digitalen Leben zu begleiten – auch, wenn die Technik so niedrigschwellig und leicht zu erlernen sei – denn nur „weil eine Flasche Bier leicht zu öffnen ist, heißt das noch lange nicht, dass man mit Alkohol umgehen kann“. Mir ist nicht ganz klar, was Kommunikationsmittel wie Tablets, Smartphones oder das Internet mit Alkohol zu tun haben, aber da scheine ich die einzige zu sein, denn um mich herum wird eifrig genickt.
10.15 Uhr. Der Vortrag „Medienpädagogische Kompetenz – ein Konstrukt zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ von Prof. Dr. Bardo Herzig beginnt. Laut Veranstaltungsprogramm geht es um die Lehrerausbildung in Hinblick auf die Medienkompetenzvermittlung und damit einhergehend um den Mangel einer flächendeckenden Umsetzung der medienpädagogischen Ausbildung. Darunter kann man viel verstehen. Herzig nimmt das zum Anlass ausführlich auf eine Studie zur Messbarkeit eben dieser Fähigkeiten von Studierenden einzugehen, die die Universität Paderborn mit sehr viel Aufwand durchgeführt hat bzw. noch durchführt. Vielleicht war meine Erwartungshaltung etwas zu hoch, aber eine Stunde auf Schemata und die Erstellung einer Matrix zu blicken, erscheint mir wenig zielführend, wenn es um die Frage geht, wie Lehrerinnen und Lehrer ihre Schüler bei der Vermittlung von Medienkompetenz begleiten können.
10.55 Uhr. Ich tue es meinem Sitznachbarn gleich und verlasse den Vortrag vorzeitig. So kann ich wenigstens die Informationsinseln erkunden, bevor der ganze Ansturm kommt. Insgesamt 10 Stationen geben Infos über Themen wie Digitale Medien und Inklusion, Deutsch als Zweitsprache und Medien, Frühkindliche Bildung und Medien, Jugendmedienschutz, Games und Datenschutz. Infos im Sinne von Broschüren, Foldern etc. Ins Gespräch komme ich lediglich an der Insel der Polizei – dort werde ich sofort abgefangen und mit einer Menge Material über Cybercrime versorgt. Das – so wird mir erklärt – von Schulen und Vereinen wie Smiley e.V. zur Präventionsarbeit genutzt wird. Ich bin überwältigt von den aufwendig hergstellten Materialien, darunter sogar ein Film auf DVD mit dem grandiosen Titel „Verklickt“ plus Aufgabenheft für Lehrer.
Mittlerweile ist der Fachvortrag ist beendet und die Menge strömt gen Inseln, um sich über die Probleme und Risiken des WorldWideWebs zu informieren. Ich freue mich über die wieder einmal risikoorientierte Darbietung der Materialien und bin jetzt so gespannt auf den Film und auf die ganzen Infobroschüren über Cybercrime, Handysucht undsoweiter, dass ich sofort nach Hause fahren muss.
15.00 Uhr. Intensiver Blick in die Materialien. Die Polizei gibt sich wirklich viel Mühe. Sowohl beim Layout als auch bei der Sprache versuchen sie den Geschmack der Kinder und Jugendlichen zu treffen. Nun ja. Jetzt bin ich ja auch keine 15 mehr, aber ich weiß noch sehr genau, was mich in der pubertären Hochzeit beschäftigt hat und kann ganz klar sagen, dass mich all diese Materialien inklusive Film eher belustigt hätten. Der Film besticht natürlich durch seine schauspielerische Leistung und durch die Nähe zum Alltag. Ganz klar erfährt ein Jugendlicher heute ab dem Moment des Smartphone-Besitzes jegliche Form der Risiken: Angefangen von Cybermobbing, Identitätsklau und Ausgrenzung, weil er das falsche Gerät besitzt bis hin zu Abzocke im Internet. Am Ende läuft es auf die Auseinandersetzung mit Eltern, Lehrern und Mitschülern hinaus. Zum Glück sind in den dazugehörenden Foldern die einzelnen Risiken thematisch geordnet und die Problematik des jeweiligen Themas wird auf der ersten Seite hervorgehoben. Und zum Glück gibt es in der Broschüre zum Film klare Handlungsanweisungen für die Lehrer. Und wenn man gar nicht weiter weiß, sollte man sich nicht scheuen, die örtliche Polizei um Rat zu fragen.
16.00 Uhr. Ermüdet von all den Risiken schalte ich den Rechner aus. Wer weiß, vielleicht ist es doch besser, das Internet wieder zu löschen…
…sollte das Internet wider erwartend doch nicht gelöscht werden, gibt es in Kürze den zweiten – und vielleicht weniger polemischen Teil zu den aus der Fachtagung resultierenden Überlegungen. Bis dahin. Nicht verklicken!